Ein Segen für die Menschen sein
Eine Reihe junger Männer liegt in weißen Gewändern vor dem Altar auf dem Boden, während die Allerheiligenlitanei gebetet wird – ein Akt der Hingabe und der Bitte um göttlichen Beistand, bevor sie durch die Handauflegung des Bischofs die Priesterweihe empfangen. Bilder wie dieses waren noch vor wenigen Jahrzehnten keine Seltenheit, heute gibt es sie zumindest in mitteleuropäischen Diözesen so praktisch nicht mehr. Wenn am 29. Juni, Hochfest der Apostelfürsten Petrus und Paulus und traditioneller Tag der Priesterweihen, kein einziger Kandidat sein „Ich bin bereit!“ spricht, ist das besonders schmerzlich.
Ein Freudentag
„Gott in den Sakramenten zu den Menschen bringen“ – das war für Luca Fian der Impuls für seine Entscheidung, in das Priesterseminar einzutreten. Er begann seine Ausbildung in Graz und wechselte später in die Diözese St. Pölten. Am 22. Oktober 2023 weihte ihn Bischof Alois Schwarz zum Diakon. Als letzten Teil der Ausbildung im Priesterseminar absolvierte er im vergangenen Jahr das Pastoralpraktikum in den Pfarren Zeiselmauer und St. Andrä vor dem Hagenthale. Die Zeit in den zwei doch recht unterschiedlichen Orten sei für ihn sehr vielseitig gewesen. Wichtig war für ihn dabei die gute Begleitung durch den diözesanen Verantwortlichen für die Priesterausbildung, Subregens Mag. Nikola Vidovic, der ihn aber keineswegs geschont habe. Am 29. Juni empfängt Luca Fian heuer als einziger Kandidat aus dem diözesanen Priesterseminar im St. Pöltner Dom die Priesterweihe – ein Freudenfest für ihn, viele Freunde und Wegbegleiter, aber auch für die ganze Diözese St. Pölten.
„Priester werden ist nicht nur ein Beruf und kein Job. Es ist eine Berufung. Wer sie echt und von Herzen lebt, wird für viele Menschen ein Segen.“ Bischof Alois Schwarz wird nicht müde, das zu betonen. So anspruchsvoll wie der Beruf selbst ist auch die Ausbildung für die vielfältigen Aufgaben, die Priester heute in der Kirche als Dienst an der Gemeinde Christi erfüllen.
Ausbildung interdiözesan und international
Die Vorbereitung auf die Priesterweihe erfolgt für die diözesanen Kleriker („Weltpriester“) im Priesterseminar. Klöster und Ordensgemeinschaften haben oft eigene Ausbildungswege. Seit dem Jahr 2012 leben die Seminaristen der Diözesen Eisenstadt und St. Pölten sowie der Erzdiözese Wien im Interdiözesanen Priesterseminar in Wien. Es ist eine durchaus prominente Adresse in der Strudlhofgasse im 9. Wiener Gemeindebezirk. Die Gemeinschaft über Diözesan- und Ländergrenzen hinweg ist ein großer Vorteil dieser Ausbildungsform; die Seminargemeinschaft ist gelebte „communio“. Unter den derzeit 38 Seminaristen finden sich Österreicher ebenso wie Deutsche, Inder und Nigerianer. Und Luca Fian ist einer von derzeit fünf St. Pöltner Seminaristen. Jeder Diözesanbischof ist in dieser Organisationsform für „sein“ Priesterseminar verantwortlich. Regens für alle drei Seminare ist der Wiener Diözesanpriester Richard Tatzreiter. Seitens der Diözese St. Pölten gehört Subregens Nikola Vidovic dem Ausbildnerteam an.
Wege zum Priesterberuf
Früher führte die „klassische“ Karriere eines Priesters vom „Kleinen Seminar“ über Matura und Alumnat zur Priesterweihe. Heute herrschen doch recht andere Wege vor. „Die Anwärter für das Priesteramt kommen teilweise schon mit einer fertigen Ausbildung oder einem Studium, sie haben Erfahrung im Arbeitsleben und bringen von daher eine besondere Prägung mit“, weiß der Subregens. Es gelte daher, „ein kompatibles Ausbildungssystem für sie zuzuschneiden, damit sie wirklich gut vorbereitet sind auf die pastorale Herausforderung, die das heutige Priestertum erfährt“. Und er nennt drei Schwerpunkte, auf die in der Ausbildung Wert gelegt wird. Das ist zunächst das Menschliche – „das ist immer ein Arbeiten an mir selbst“. Als zweites kommt der akademische Bereich dazu. Priester brauchen ein fundiertes theologisches Wissen. Dieses erwerben die Seminaristen an der Theologischen Fakultät der Universität Wien oder an der Päpstlichen Hochschule Benedikt XVI. in Heiligenkreuz. Die „eigentlich größte Herausforderung“ stellt der dritte Bereich dar: die Pastoral, die Anwendung in der Pfarre. Dabei wird auf die spirituelle Formation der angehenden Priester großes Augenmerk gelegt. Jeder Seminarist wird von einem der Seminarvorsteher begleitet. Darüber hinaus hat er einen geistlichen Begleiter, den er sich persönlich suchen kann. „Ihr Inneres müssen sie dann wirklich mit diesem geistlichen Begleiter persönlich besprechen.“
Die Seminarausbildung umfasst insgesamt sechs Phasen. Nach dem Aufnahmeverfahren und der Prüfung der Eignung folgt ein propädeutisches Jahr mit Kursen zum Alten und Neuen Testament ebenso wie zum Zölibat. Ziel ist, ein einheitliches Level für alle zu schaffen, unabhängig von ihrer Herkunft und ihren Erfahrungen.
Auch Sprach- und Gesangstechniken gehören zur Ausbildung. Und last but not least gibt es noch den „Urbanitas-Kurs“, der den angehenden Priestern Umgangsformen vermittelt, die für das Wirken als Priester in den verschiedensten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens unerlässlich sind.
Ein herausfordernder Beruf
Selbstredend ist die heutige Priesterausbildung der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils verpflichtet. Demnach ist „der Priester nicht mehr losgelöst vom Volk Gottes. Wir sind eine Gemeinschaft, aber haben verschiedene Ämter“, bekräftigt Vidovic. Zur Frage, ob es einen Priestermangel gibt, meint er mit dem Hinweis auf das Wort Jesu von der großen Ernte und den wenigen Arbeitern: „Mangel gab es schon zu Jesu Zeiten und wird es immer geben bis zum Jüngsten Gericht.“
Heute Priester sein – das ist kein 40-Stunden-Job. Und der Subregens weiß, wovon er spricht, ist er doch selbst neben seiner Tätigkeit im Priesterseminar auch noch Pfarrer von Krems-St. Paul. In der Regel haben Priester einen freien Tag pro Woche, meist am Montag. Liturgie, Gottesdienste und Sakramentenspendung sind ein Kernbereich priesterlichen Wirkens. Darüber hinaus sind Priester noch in anderen Arbeitsfeldern tätig: Religionsunterricht, Jugendarbeit, soziale Bereiche, Notfallseelsorge, Krankenhauspastoral. Entsprechend vielfältig sind die Zusatzausbildungen, die sich viele Priester aneignen, im organisatorischen Umfeld ebenso wie im kommunikativen und therapeutischen.
Und in ihrer meist recht kargen Freizeit haben sie Hobbys wie jeder andere auch – z. B. Klettern, Fußball spielen, Kochen oder auch künstlerische Aktivitäten.
Wer Interesse am Priesterberuf hat, dem gibt Subregens Vidovic vor allem einen Rat: Er sollte „ein transparentes Werkzeug für Gott sein. Ein Priester kann niemals Gott ersetzen, aber er sollte transparent sein, dass die Menschen tatsächlich durch ihn die Liebe und die Barmherzigkeit Gottes erfahren.“
Wohin sich Interessenten wenden können
Wer eine Berufung zum geistlichen Leben verspürt bzw. auf der Suche nach seinem persönlichen, vom christlichen Glauben geprägten Lebensweg ist, findet hier Informationen und Unterstützung:
- Bischöfliches Sekretariat bzw. Bischof Dr. Alois Schwarz
- Regens Dr. Richard Tatzreiter
- Haus Gennesaret im Stift Seitenstetten
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